Normal People ist eine der besten Serien und Buchadaptionen, die ich je gesehen habe. Sie basiert auf dem gleichnamigen Roman der irischen Schriftstellerin Sally Rooney und lässt sich als romantisches, coming-of-age Drama einordnen. Die Geschichte dreht sich um die kluge und wortgewandte Außenseiterin Marianne und den beliebten aber unsicheren Connell. Zwei Teenagern einer irischen Kleinstadt, die heimlich eine Beziehung zueinander aufbauen. Ihre Liebesgeschichte wird mit Zeitsprüngen über fünf Jahre in verschiedenen Phasen ihres Lebens beleuchtet, von der High School bis zum College. Klingt wie ein typischer Plot, aber dahinter steckt noch so viel mehr.
Neben der romantischen Beziehung, den zwischenmenschlichen Konflikten und den Herausforderungen des Erwachsenwerdens als zentrale Elemente, spielen Themen wie soziale Hierarchie, Identität, psychische Gesundheit, Intimität und dysfunktionale Beziehungen eine Rolle. Marianne und Connell werden verkörpert von Daisy Edgar-Jones (Fresh, Der Gesang der Flusskrebse) und Paul Mescal (Aftersun und bald Gladiator 2), deren Chemie gar nicht besser hätte sein und eingefangen werden können. Die beiden spielen ihre Figuren auf so eine authentische Weise, mit all ihren komplexen Eigenheiten und den emotionalen Feinheiten im Tanz zwischen Anziehung, Liebe und Verlust. Normal People wurde schon 2020 veröffentlicht, umfasst 12 Episoden à etwa 30 Minuten und das Beste: sie ist ab dem 05.08.23 kostenlos in der ZDF Mediathek verfügbar.
Normal People: Marianne & Connell
Die Regiearbeit teilten sich Lenny Abrahamson (er hat u. a. den Film Raum (engl. Room) mit Brie Larson inszeniert) und Hettie Macdonald. Das Skript wurde von Sally Rooney selbst, Alice Birch und Mark O’Rowe (eine Folge) geschrieben. Normal People erzählt die Liebesgeschichte zwischen Connell Waldron und Marianne Sheridan und ihren Herausforderungen des Erwachsenwerdens. Sie stammen beide aus der Kleinstadt Sligo in Irland und auch wenn sie auf den ersten Blick sehr unterschiedlich wirken, entwickeln sie eine tiefe Verbindung zueinander. Es entsteht eine heimliche Romanze, die sie jedoch auf ihren Wunsch hin vor Freunden und Familie geheim halten.
Connell ist charmant und intelligent, kämpft aber aufgrund seines sozialen Status als beliebter Schüler oft mit inneren Konflikten und ist unsicher. Marianne dagegen ist ebenso klug und unabhängig, bleibt aber oft von ihren Mitschüler:innen isoliert, kämpft mit familiären Problemen, ihrer Geschichte mit häuslicher Gewalt und ist emotional verletzlich. Weitere Schlüsselrollen spielen die alleinerziehenden Mütter der beiden.
Als sie die Schule abschließen, ändert sich ihre Dynamik. Die Rollen im College-Leben kehren sich um und während Marianne in diesem Umfeld aufblüht, hat Connell große Schwierigkeiten sich einzufinden. Im Laufe der Zeit kreuzen sich ihre Wege immer wieder. Sie finden wieder zusammen und trennen sich wieder, während sie ihre Beziehung, ihre persönlichen Träume und ihre Identität erforschen.
Die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens
Im Kern zeigt Normal People die Komplexität und Verletzlichkeit von Beziehungen sowie die Auswirkungen von Kommunikation und das Fehlen ebendieser. Es tauchen öfter Situationen auf, die durch ein ehrliches, klärendes Gespräch hätten gelöst werden können. Verständlich ist aber auch, dass diese ausgeblieben sind. Die Familienverhältnisse der Hauptcharaktere sind ebenso wichtig. Marianne stammt aus einer reichen, aber dysfunktionalen Familie, während Connell aus einer Arbeiterklassenfamilie kommt und von einer liebenden Mutter (Lorraine ist ein moralischer Kompass für die beiden und der heimliche MVP der Serie) umsorgt wird, die aber sehr ehrlich mit ihm spricht. Isolation und Einsamkeit gehen mit Angst, Panikattacken und Selbstzweifeln einher. Mit Marianne als starke weibliche Figur wird die Bedeutung des Feminismus und der Gleichberechtigung gestreift. Bei ihr werden zusätzlich die Auswirkungen häuslicher, sexualisierter Gewalt auf das eigene Denken und Handeln sichtbar.
Auf allen Ebenen brillant
Daisy Edgar-Jones und Paul Mescal sind einfach fantastisch in der Darstellungsweise ihrer komplexen, aber glaubhaften und daher menschlichen Figuren und lassen uns mit ihnen mitfühlen. Ich habe beide bereits in anderen Projekten gesehen, aber zusammen holen sie noch einmal das Beste aus sich heraus. Passend dazu ist die einfühlsame Inszenierung, mit einer Kamera, die oft sehr nah die Gesichter vor der Linse hat und so nur durch Mimik kommuniziert wird. Durch diese Verletzlichkeit wird auch die Bewältigung ihrer inneren Konflikte eingefangen, die im Roman als innere Monologe ausgetragen werden.
Kommunikation ist wichtiger Bestandteil der Serie und wo Connell und Marianne es nicht schaffen, verbal miteinander zu kommunizieren, funktioniert es im blinden Verständnis zueinander und auf körperlicher Ebene umso besser. Die expliziten (Sex-)Szenen sind mit so viel Fingerspitzengefühl und Glaubhaftigkeit inszeniert, wie ihr es nur ganz selten zu sehen bekommt. Als Intimitätskoordinatorin war Ita O’Brien mit am Set, damit alle Beteiligten sich so wohl wie möglich fühlten. Es werden auch die vielleicht unangenehmen Momente gezeigt, die aber schlichtweg normal sind. Manchmal ist es mit einem Kondom vor Aufregung eben etwas fummelig. Es ist auch völlig in Ordnung nach Zustimmung zu fragen und zu sagen, wenn einem etwas nicht gefällt.
Komme nicht davon los
Mittlerweile habe ich mir die Serie dreimal in einem kurzen Zeitraum angeschaut, den zugrundeliegenden Roman (die Serienadaption ist wirklich sehr nah an der Buchvorlage) gelesen und direkt die beiden anderen Werke von Sally Rooney verschlungen. Die Harmonie von Daisy Edgar-Jones und Paul Mescal ist unvergleichlich, so nuanciert und es ist immer wieder erstaunlich, wie viel allein durch Blicke erzählt werden kann. Man spürt zwischen den beiden förmlich dieses Knistern, dieses Verlangen nach emotionaler und körperlicher Nähe und so schlagen die nicht so schönen Momente umso härter zu.
Ich fühlte mich mit Connell so schnell verbunden, konnte mit seinen Sorgen und Unsicherheiten mitfühlen und wurde an mich erinnert, wie ich selbst manchmal reagiert habe. Kommunikation ist in so vielen Lebenslagen der Schlüssel, was ich erst deutlich später im Leben realisiert habe. Einige Situationen taten mir so im Herzen weh, auch seine Struggles mit Selbstsicherheit, Depression und dem Impostor-Syndrom. Wenn man nicht nach Dingen fragt, die einem unangenehm sind, obwohl man eigentlich weiß, dass die andere Person damit überhaupt keine Probleme hat. Wenn man Dinge nicht tut, nur weil man glaubt, dass man sich danach schämen müsste oder das eigene Standing irgendwie angegriffen sein könnte. Hier ist die Serie so präzise in ihrer Ausarbeitung zwischen dem, was sich richtig anfühlt, und den Einflüssen der inneren und äußeren Umgebung auf diese Gefühle und Gedanken.
Normal People hat mein Herz auseinandergerissen, die Einzelteile wieder zusammengesetzt, nur um dieses Spiel immer wieder zu wiederholen und mich mit einem perfekten Ende zurückzulassen. Wie kann etwas gleichzeitig so schön und so schmerzlich sein? Zutiefst berührend, unglaublich gut gespielt (mein Crush auf Daisy Edgar-Jones ist seitdem riesig), authentisch-ehrlich eingefangen und passend musikalisch unterlegt. Zudem macht sie nachdenklich und lässt einen eigene Erfahrungen reflektieren. Sie zeigt, wie stark Liebe in all ihren Formen sein kann und ich hoffe meine Liebe für die Serie hat sich nach dem Lesen dieses Blogbeitrages auch auf euch übertragen.
“Menschen können sich wirklich gegenseitig ändern.”
"Normal People" in der ZDF Mediathek
Am 04.08.2023 ab 21:50 Uhr wird die 12-teilige Serie in einem Rutsch bei ZDFneo ausgestrahlt und danach auch in der ZDF Mediathek zur Verfügung stehen. Nachdem die Serie in Deutschland in letzter Zeit nur über Umwege zu bekommen war, ist das nun die perfekte Gelegenheit. Neben einer deutschen Synchronfassung wird es sicherlich auch die englische Originalversion zu sehen geben, die euch nur wärmstens ans Herz legen kann. Oder schaut sie euch doch einfach zweimal an. Aufgrund der FSK 16 Altersbeschränkung muss (je nach Uhrzeit) ein kostenfreies Konto erstellt und euer Alter mit euren Personalausweisnummern verifiziert werden. MediathekViewWeb könnte euch auch weiterhelfen.
Noch ein Tipp: Der Debütroman Conversations With Friends von Sally Rooney wurde ebenfalls in ein Miniserien-Format gegossen, läuft am 06.08.2023 bei ZDFneo und kommt einen Tag später komplett in die Mediathek.
Schreibe den ersten Kommentar