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"Here’s to Never Growing Up": Hurricane Festival 2024 im Rückblick

Es war mal wieder soweit und 75.000 Festivalbesucher:innen strömten in Richtung des legendären Eichenrings im beschaulichen Scheeßel zum Hurricane Festival 2024. Mit Deichkind bis ans "Limit" gehen, von Ed Sheeran auf seine "Castle on the Hill" eingeladen werden oder bei Avril Lavigne den "Sk8er Boi" raushängen lassen. Musikalisch dürften viele in diesem Jahr wieder auf ihre Kosten gekommen sein. Das Wetter zeigte sich unterm Strich von seiner guten Seite und das Wochenende war wieder grandios.

Volles Gelände schon am frühen Nachmittag

Jedes Mal nimmt man sich vor am Donnerstag pünktlich loszukommen und schafft es dann doch immer erst deutlich später. Dafür hatten wir diesmal wieder relativ viel Glück haben einen guten Parkplatz erwischt. Das Abholen der Bändchen hat dafür bedeutend länger gedauert. Scheinbar waren die Parkplätze auf der anderen Seite des Festivals nur teilweise befahrbar und viele wurden auf unsere Seite umgeleitet, was zu Menschenmassen am Bändchenzelt führte.

Der Einlass zum Campinggelände ging dafür flott, was wir schon deutlich schlimmer (teils in sengender Hitze) erlebt haben. Der Hurricane Park war allerdings um 15 Uhr schon wahnsinnig gut gefüllt und wir haben nur mit Mühe und Not noch einen annehmbaren Platz gefunden (Grüße an unsere lieben Zeltnachbarn an dieser Stelle). Außer dem obligatorischen Gang zum Merchandise-Stand haben wir nicht mehr viel erlebt.

Die einsetzende Party ab 2 Uhr nachts hat wie immer am Donnerstag für schlaflose Stunden gesorgt. Ich weiß nicht, ob die Boxenanlage vor dem Zelt das Problem ist, die immer in Richtung Greencamp strahlt oder einfach nochmal extra aufgedreht wird. Trotz Ohropax bekommt man aber leider alles mit, selbst das Ende um 04:30 Uhr.

Regnerischer Auftakt

Nach ein paar Stunden Schlaf fing der Freitag dann gemütlich an. Ski Aggu bei seinem bis dato vielleicht größten Auftritt zu sehen war spaßig und er konnte es selbst kaum fassen. The Gaslight Anthem konnte ich das erste Mal richtig sehen und Songs wie "The ’59 Sound" kommen live nochmal besser, auch wenn ich Sänger Brian Fallon fast nicht wiedererkannt habe. Idles werde ich scheinbar nie verstehen. The Kooks sind leider dem eine Stunde anhaltenden Starkregen zum Opfer gefallen. Die Kommunikation seitens der Veranstalter kam zwar, allerdings spärlich und für meinen Geschmack etwas zu spät.

Wir sind dann irgendwann entnervt nochmal zum Zeltplatz zurück, um ein paar trockene Klamotten anzuziehen. Das führte dazu, dass wir zwar den Anfang von The National verpassten, allerdings spielten diese ganze 90 Minuten. Voll war es nicht und wir mogelten uns noch vorne rein. Der Abschluss mit "Fake Empire", "Mr. November" und "Terrible Love" ist zwar Standard in deren Sets hat mir dennoch wieder sehr gefallen. Die ekstatischen Ausbrüche von Sänger Matt Berninger werden aber sicher einige ratlos zurückgelassen haben. Ayliva haben wir schmerzlicherweise ausfallen lassen (bei ihrem kometenhaften Aufstieg bekommen wir sicher nochmal die Chance) und nur von weitem gehört.

Stimme, Gitarre, Loopstation

Durch den matschigen Boden hatte man dank Gummistiefeln ein bisschen mehr Platz als üblich und so konnten wir Ed Sheeran entspannt aus nähester Nähe betrachten. Es ist zehn Jahre her, dass er zuletzt beim Hurricane spielte und wir ihn auf seiner Tour gesehen haben. Zehn Jahre mit vielen Nummer 1 Alben, unzähligen Auszeichnungen und einem Gastauftritt bei Game of Thrones. Es hat sich viel getan und dennoch ist er so talentiert, sympathisch und auf dem Boden geblieben wie immer.

Diesmal stand er wieder 90 Minuten lang ganz alleine auf der Bühne und hat alle Songs (viel Liebe für "Bloodstream") mit seiner Loopstation live eingespielt. Das muss man mal erlebt haben, mit welcher Leichtigkeit er die Songs durch die Boxen strömen lässt. Auch die Awareness zu haben, zweimal mitten im Set den Song zu stoppen, um auf einen Notfall aus dem Publikum hinzuweisen, nur um an derselben Stelle weiterzumachen, als wäre nichts gewesen. Ein absoluter Ausnahmekünstler.

Nostalgie für die Teenieherzen

Das Gelände wurde ein wenig präpariert und es regnete das Wochenende nicht mehr, sodass nur ein paar wenige Bereiche wirklich schlammig waren. Der überpünktliche Gang am Samstag zu der umwerfenden The Last Dinner Party ("Nothing Matters") ins Zelt lohnte sich weniger, da die Band doch leider weniger Menschen anzog, als der Hype es versprochen hatte. Die Gewinnerinnen des BBC Sound Of 2024 waren super drauf und hatten echt Spaß ihre Songs zu performen. Baroque-Pop trifft hier auf Indie-Rock und findet seine ganz eigene Mischung. Der Sound war mir etwas zu hallig, aber das liegt wohl an der Natur des Zeltes. Gucke ich mir gerne wieder an.

Bands mit Nostalgiefaktor waren an diesem Wochenende so einige auf den Bühnen zu finden. Simple Plan ("Welcome To My Life") mit ihrem Pop-Punk waren eine davon. Gefühlt nicht gealtert, legten sie eine sehr solide Show hin, die die Fans zum Ausrasten brachte. Ich habe in viele glückliche Gesichter gucken können, die aus vollster Seele die Texte mitsingen konnten. Leoniden ("Balance of Love", "Never Never") danach gehen immer und die neuen Songs fügen sich bestens ein (Sophisticated Sad Songs erscheint am 23.08.). Mir hat nur leider das letzte Viertel des Sets diesmal nicht so getaugt. Allerdings standen wir zu weit weg, um komplett von der Stimmung eingenommen werden zu können.

Paula Hartmann haben wir ausfallen lassen, der Andrang an der Mountain Stage war riesig und sie hätte sicher eine größere Bühne verdient gehabt. Bei Jungle ("Keep Moving") schien es leider nicht ganz so voll gewesen zu sein, obwohl der Disco-esque Sound doch den Nerv der Besuchenden treffen müsste. Eine toll zusammenspielende Liveband, die ihr Handwerk einfach beherrscht. Auch Lydia Kitto als drittes Bandmitglied des ehemaligen Duos hat geglänzt. Es wurden für mich nur leider zu viele Songs vom aktuellen Album Volcano ("Back on 74") gespielt, mit dem ich einfach noch nicht warm geworden bin.

Die größte Hitdichte des Tages lieferte dann Avril Lavigne. Selbst als nicht aktiver Hörer war ich gespannt und verblüfft doch fast jeden Song Wort für Wort rezitieren zu können. Von "Complicated" über einem "Addicted" Cover von Simple Plan mit Simple Plan und dem abschließenden "I’m With You". Schickes Bühnenbild, nostalgische Begleitvideos und insgesamt ein gelungener Auftritt der Kanadierin. K.I.Z auf dem Weg zum Campingplatz wirkten mächtig und haben viele Leute gezogen. Dementsprechend leer war es an den Sanitäranlagen, so leer, wie wir es noch nie gesehen haben.

Arrividerci im Sonnenschein

Nach dem Aufwachen am Sonntag folgte erst einmal eine kleine Ernüchterung, dass das Festival schon fast wieder vorbei war. Wir hätten gerne noch einen Tag länger gemacht, obwohl man die drei vorangegangen Tage sicher in den Knochen merkte. Nach dem Abbau des Camps haben wir es pünktlich zu unserem ersten Act des Tages wieder aufs Gelände geschafft.

Editors ("Papillon") eröffneten für uns die letzten Festivalstunden mit einem gut aufgelegten Tom Smith. Auf jeden Fall eines der besseren Konzerte des Wochenendes mit einer Setlist, die kaum einen Wunsch offen lies. Grossstadtgeflüster aus der Entfernung begleiten uns bei Festivals schon seit Jahren und dementsprechend viele Songs kennt man auch. Der Kitsch konnte danach nicht anders und so kam pünktlich zu Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys ("Santorin") die Sonne heraus. Ein bisschen italienische Lebenslust und Amore. Die Speerspitze des Italo-Schlager hat den Funken komplett überspringen lassen.

"Ladies & Gentlemen" war dann die Lieblingsansage von Sum 41 ("In Too Deep"). Die Punkrockband feiert sich gerade auf ihrer Abschiedstour und lockte eine riesige Menge an Menschen vor die Forest Stage. Auch Giant Rooks ("Wild Stare") waren gut besucht und dementsprechend lang waren die Schlangen an den Essensständen in der Nähe. Die Band spielt sich seit Jahren in der Gunst der Zuschauendenschaft zurecht immer weiter nach oben. The Offspring ist so eine Festivalband, die immer zieht und vor allem bei den alten Hits ("The Kids Aren’t Alright") abgeht.

Deichkind ("Könnt Ihr noch?") ist und bleiben Deichkind, wohlgleich der Start im Hellen immer etwas kritisch ist. Wer eine Show von ihnen gesehen hat, kennt auch die nächste. Allerdings gibt es immer den ein oder anderen neuen Happen und wir hatten wieder Spaß. Bring Me The Horizon ("Throne") haben zum Abschluss eine absolut Headline-würdige Show abgeliefert. Wir haben es zwar zum Ausklang nur von sehr weiten hinten verfolgt, weil es auch nicht zu 100% unsere Musik ist. Der druckvolle Sound und die sehenswerte Laser- und Pyroshow waren beeindruckend. Die Abreise vom Parkplatz runter ging so flott wie selten. Den kleine Stau vor der Autobahnabfahrt, wo die Polizei jedes Auto kurz kontrollierte und ggf. rauswinkte, haben wir eher mit positiven Gedanken bedacht.

Auf ein Wiedersehen

Das Gelände nähert sich immer mehr der Perfektion an und gefällt mir aktuell richtig gut. Das Donnerstag-Party-Und-Nachts-Nicht-Schlafen-Können-Problem muss noch gelöst werden, es fehlten eventuell ein paar Toiletten auf dem Gelände (kann ich selbst nicht unbedingt bestätigten) und beim Weg im ersten Wellenbrecher, wenn man versucht auf die jeweils andere Seite des Eingangs zu kommen, wundert man sich immer, dass es nicht zu Massenpaniken kommt. Das Essensangebot war ausgewogen, wenn auch teils absurd teuer für das, was man bekommen hat. Die Bands hatten alle sichtlich Spaß, die Leute waren größtenteils entspannt. Die neuen Leinwände, die jetzt seitlich an der Bühne hängen und dreimal so groß sind wie früher, sind zusätzlich ein dickes Upgrade.

Nachdem der Ticketverkauf am Dienstag nach dem Festival gestartet ist (danke, dass es erst Dienstag war!), liegt der Preis mittlerweile schon bei 239€ (wer mit dem Auto anreist, benötigt ein zusätzliches Parkticket) und es wurden bereits über 25.000 Karten abgesetzt. Für die Major-Festivals läuft es aktuell, nachdem die Zukunft derer doch kurz mit einem Fragezeichen versehen war.

Ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du den Artikel teilst oder kommentierst! <3

Veröffentlicht inFestivalsMusik

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