Das Konzept der NDR Late Night in der Elbphilharmonie ist schnell erklärt: Klassik trifft auf Pop. Im ersten Teil des Abend gibt es für die Zuschauer klassische Musik zu hören. Nach einer Umbaupause startet der zweite Teil des Programms, wo das Publikum Pop-Musik auf die Ohren bekommt. Eigentlich eine Win-Win-Situtation: Den Klassik-Begeisterten kann die Pop-Musik schmackhaft gemacht werden und ebenso können weniger Klassik-Begeisterte in die Pop-Musik hereinschnuppern. An den zwei identischen Abenden begann das NDR Elbphilharmonie Orchester mit Dirigent Juraj Valčuha, bevor JOCO ihr Album Into the Deep und weitere Songs vorstellten.
Elphi als Zuschauermagnet
Auch am heutigen Abend fanden sich sicher wieder viele Gäste im Konzerthaus ein, die zum ersten Mal die Elbphilharmonie besucht haben und nur das Erlebnis mitmachen wollten. Soweit nicht weiter tragisch, wenn sie nicht während des Pop-Teils in Scharen davon gestürmt wären, aber dazu später mehr.
Punkt 20 Uhr verdunkelte sich der Saal und Jens Hardeland von N-Joy betrat die Bühne und leitete den Abend ein. Unter Applaus und von Laola-Wellen begleitet, betrat das Orchester die Bühne, gefolgt von ihrem heutigen Dirigenten Juraj Valčuha. Auf dem Programm stand die Erste Sinfonie, die der damals 19-Jährige Dmitrij Schostakowitsch als Abschlussarbeit seines Studiums in St. Petersburg einreichte. Danach folgte eine Suite aus der Filmmusik zu La Strada von Nino Rota, der auch die Musik für den Filmklassiker Der Pate komponierte.
Am meisten fasziniert haben die lauten Passagen, die den Raum für sich einnahmen und die perfekte Akustik des großen Saals in der Elbphilharmonie komplett ausnutzen. Ich habe zwar nur wenig Erfahrung was klassische Musik betrifft, aber es machte Spaß dem Orchester zuzusehen, sich auf einzelne Instrumente zu fokussieren (wie wichtig so eine Triangel doch ist!) und dem Schauspiel zu lauschen. Der größte Vorteil ist nur leider auch der größte Nachteil: Vor allem in leisen Abschnitten, wenn nur mal eine Geige spielte, hörte man jedes noch so kleine Geräusch, wie das Auspacken eines Bonbons oder das Hüsteln einer Person, was schon sehr störte. Grüße auch nochmal an den Darth Vader hinter uns, der klang als würde er gerade schlafen. Nächstes Mal geht das Bitte auch etwas leiser!
Umwerfend, verzaubert, verliebt
Die Umbaupause dauerte lange. Eine geschlagene Stunde ließen sie uns warten und man musste den Saal in der Zwischenzeit verlassen. Zu Konzertbeginn hatten aber 95% der Zuschauer wieder ihre Plätze eingenommen und nur vereinzelnd waren leere Sitze auszumachen. Dies änderte sich leider nach jedem Song und so saßen gegen Ende des Abend noch etwa 80% der Zuschauer im Saal. Echt schade und auch respektlos gegen über den Künstlern, da man ja wusste, worauf man sich eingelassen hat.
Hardeland betrat noch einmal die Bühne und kündigte den nachfolgenden Programmpunkt an: JOCO. Die beiden norddeutschen Schwestern Josepha und Cosima Carl begleiteten sich selbst an der Gitarre, Josepha zusätzlich am Schlagzeug, Cosima am Keyboard. Im Vordergrund stehen aber ihre tiefgründigen Texte und der unverwechselbare zweistimmige Gesang der beiden. Im Gepäck hatten sie ihr neueste Album Into the Deep und ein paar weitere Überraschungen.
Hinter den zwei Schwestern waren noch drei weitere Mikrofone aufgebaut, die für ein Bläser-Trio bestimmt waren. Björn Glänzer (am Horn), Sonja Engelhardt (am Horn) und Robert Hedemann (an der Bassposaune) unterstützten JOCO bei einigen Songs, was dem Sound nochmal eine andere Wirkung verlieh. Das Highlight des Abends kam jedoch ganz ohne Unterstützung von technischen Hilfsmitteln auf. Nur mit ihren Stimmen und der Akustik des Saals sangen sie "Over the Horizon", den sie für ihren Großvater geschrieben haben. Zwei Stimmen, 4000 gespitzte Ohren, Gänsehaut, Tränen in den Augen und zurecht lang anhaltender Applaus! Wie gut können Stimmen bitte harmonieren?
Ein weiteres Schmankerl war der Einsatz von zwei Discokugeln, die so angestrahlt wurden, dass man beim deutschen Stück "Klangkarussell" sich tatsächlich wie in einem Karussell fühlte. Nach "Whale Song", wie der Name sagt ein Lied aus der Sicht eines Wales und "You Make My Heart Explode" endete das Konzert. Hardeland betrat die Bühne, forderte den Saal auf, um eine Zugabe zu bitten und tatsächlich: Für "Winter" kamen JOCO noch einmal zurück. Danach sollte das Konzert nun wirklich enden, aber die beiden hatten noch eine Kleinigkeit. Da sie öfter auf ihre stilistische Ähnlichkeit zu Simon & Garfunkel angesprochen werden und einen Ohrwurm von "Bridge Over Troubled Water" hatten, spielten sie diesen Song auch noch.
Umwerfend, verzaubernd, zum Verlieben. Das Konzert war ein Traum! Es war ein Genuss den beiden zuzuschauen und zuzuhören, während man da im gemütlichen Sessel saß und die Welt um sich herum vergaß. JOCOs eher spärlicher Sound gepaart mit den harmonischen Stimmen kam sehr gut rüber und das Konzert hätte gerne auch noch eine Stunde weitergehen können. Ganz toll. <3
Setlist: JOCO – Elbphilharmonie Hamburg (17.02.2018)
- Loneliness
- Full Moon
- Why Didn’t I See (mit Bläsern)
- Thinking of You (mit Bläsern)
- Bavaria
- Rooftop
- Pilot
- No Turning Back
- Over The Horizon (A cappella, ohne Mikrofon)
- City Shore (mit Bläsern)
- Pandora Drive (mit Bläsern)
- Kopfkarussell (mit Bläsern)
- Whale Song
- You Make My Heart Explode
– - Winter
- Bridge Over Troubled Water (Simon & Garfunkel Cover) (A cappella, ohne Mikrofon)
Titelbild: Benjamin Hüllenkremer / bigbasspic
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