Herzlich Willkommen im Jahr 2023! Ich möchte noch einmal auf meine liebsten Alben des Jahres aus 2022 zurückschauen. Wieder einmal zwölf Musikalben aufgeteilt auf zwei Blogbeiträge und das beste, was das Jahr für mich zu bieten hatte. Eine Top Drei stand relativ schnell fest, die zwei Plätze dahinter waren auch fix gefunden, danach wurde es aber immer schwieriger einzelne Alben gegeneinander abzuwägen. Am Ende bin ich aber doch ganz zufrieden mit meiner Wahl. Hier nun also meine Plätze 1 bis 6.
Meine liebsten Musikalben 2022 als Übersicht: Platz 1-6
1. Let’s Eat Grandma – Two Ribbons
Lieblingssong: "Insect Loop"
Wenn ich an das vergangene Jahr zurückdenke, gab es mit Two Ribbons kein Musikalbum, das mich mehr (emotional) begleitet hat und zu dem ich immer wieder zurückgekehrt bin. Let’s Eat Grandma sind Rosa Walton und Jenny Hollingworth aus dem UK. Die beiden verbindet seit ihrer Kindheit eine enge Freundschaft. Nach ihrem zweiten Album, beide waren gerade 20, bekam diese aber kleine Rissen. Sie haben sich in "gewisser Weise grundlegend Missverstanden"(Q), infolgedessen ihren Songwritingprozess dividiert, um alles später gemeinsam zusammenzufügen. Herausgekommen ist ein herzlich-ehrliches Werk, über Freundschaft und Verbundenheit, alles mit einer gewissen melancholischen Schwere in den Texten, aber immer begleitet von sonnigen Schimmern. Der Tod von Jenny Hollingworths Partner, der mit 22 an einer selten Krebserkrankung verstarb, findet so Platz auf dem Album. Der Synth-Pop der Band ist weiter präsent, fährt in der zweiten Hälfte aber merklich zurück, um Platz für akustische Klänge zu schaffen. Der Titeltrack "Two Ribbons" bildet zugleich das Fundament und Herzstück des Albums. "These places, they stay, but we’re changing, Like two ribbons, still woven, although we are fraying." Beziehungen verändern sich, aber selbst wenn das Band am ausfransen ist, bleibt es weiter bestehen.
2. Ethel Cain – Preacher’s Daughter
Lieblingssong: "American Teenager"
Rastlose 76 Minuten hat mir im letzten Jahr Ethel Cain mit ihrem Debütalbum(!) beschert. Die Amerikanerin Hayden Anhedönia wurde in eine baptistische Südstaaten-Familie geboren. Mit 12 outete sie sich als homosexuell, mit 20 hatte sie ihr Coming-Out als trans Frau. Preacher’s Daughter erzählt, angelehnt an Südstaatengotik, die Geschichte der fiktiven Person Ethel Cain, reflektiert dabei aber auf poetische Weise ihr Verhältnis zur Religion, ihrem Vater und zu sich selbst. "Sie ist das Spiegelbild dessen, wie mein Leben aussehen würde, wenn ich mich entschließen würde, nicht gesund zu werden", sagt sie über das Album (Q). Aufgeschlüsselt ist diese verhängnisvolle Reise in diesem Twitter-Thread. Lasst euch nicht von "American Teenager" als Single täuschen, die einen deutlichen Pop-Ansatz verfolgt. Grob verorten lässt sich ihre Musik zwischen Slowcore und Dream-Pop mit Country und Americana Einschlag. Atmosphärisch erreichen ihre Songs gerne mal Stadiongröße. Preacher’s Daughter soll das erste Album einer drei Generationen umfassenden Trilogie werden. Ihre Story, die Art des Storytellings (auch visuell über Bilder auf ihrem Instagram-Account) und die komplette Ästhetik haben mich tagelang beschäftigt und ich bin jetzt schon echt gespannt, was da noch folgt.
3. Casper – ALLES WAR SCHÖN UND NICHTS TAT WEH
Lieblingssong: "Alles war schön und nichts tat weh"
Mein Lieblingskünstler hat sich mit seinem fast besten Album natürlich einen Platz in dieser Liste verdient. Ich habe viele Worte über das Album verloren und Einblicke ins Konzert gegeben. Lest gerne da mal weiter. Die ganze Reise von Albumveröffentlichung, über die Release-Show und die Clubkonzerte, bis zum Festivalsommer und der Tour im Spätherbst, war alles spannend zu verfolgen. Ich freue mich im nächsten Jahr wieder aufs Hurricane-Festival, um die Show noch einmal selber im großen Rahmen zu erleben. Das wird sicher wieder ein blumig-schönes Erlebnis.
4. Aurora – The Gods We Can Touch
Lieblingssong: "Heathens"
Sich aus 16 Songs einen Track aus dem bunten Blumenstrauß herauszusuchen, war hier verdammt schwierig. Von vorn bis hinten hat Aurora mit ihrem dritten Studioalbum The Gods We Can Touch ein außergewöhnliches Pop-Album geschaffen. So viele Dynamiken und Facetten, die niemals langweilig werden und dazu natürlich ihre verwunschene Gesangsperformance. Alles wirkt auf mich so spielerisch leicht, als wäre es das Einfachste der Welt solche Songs zu kreieren. Bei jedem Durchgang findet ihr neue Kleinigkeit, Ideen und Instrumente, wo Verletzlichkeit in den Texten und Spaß in der Musik auf magische Weise ineinander greifen. Diese paar Zeilen werden der Fülle von The Gods We Can Touch nicht einmal im Ansatz gerecht, wer aber ein ansteckendes Pop-Album sucht, sollte hier unbedingt reinhören.
5. Warpaint – Radiate Like This
Lieblingssong: "Champion"
Ich bin selbst überrascht, dass es die vier Amerikanerinnen von Warpaint so hoch in diese Liste geschafft haben, aber letztendlich passt es doch. Die Gruppenharmonie, die sich hier nach und nach entfaltet, hat mich im Laufe des Jahres doch sehr begeistern können. Schon das schlichte Albumcover hat es mir angetan. Entfaltung ist auch ein gutes Stichwort, denn es brauchte bei mir seine Zeit. Nach einigen Spaziergängen hat es dann irgendwann Klick gemacht. "I’m an ocean, breathing in and out" sind die ersten Worte auf Radiate Like This und das trifft es fast perfekt. Der Indie-Dream-Rock mit klaren Synthesizer-Ideen lebt als Gesamtheit aller Teile, immer im Fluss. Mit seiner eigenen Atmosphäre und den vielen warmen Melodien ist es ein Album zum Eintauchen, drin verweilen und zum am Stück genießen.
6. Little Simz – NO THANK YOU
Lieblingssong: "Heart on Fire"
Im letzten Jahr noch auf Platz 2, diesmal auf Platz 6. Neben dem neuen Album von SZA brachte der Dezember noch eine große Überraschung in Form eines neuen Albums von UK-Rapperin Little Simz. Mit ein paar knappen Worte wurde es erst sechs Tage vor Release überhaupt angekündigt. Ohne große Promo hätte ich mit etwas deutlich kleinerem gerechnet, aber 10 Songs auf 50 Minuten verteilt, ist eine klare Ansage. Dabei fährt NO THANK YOU auf der pompösen Schiene etwas zurück, ihr Flow wirkt dabei aber wieder, wie eine unaufhaltsame Lawine, die sich eure Gehörgänge hinabstürzt. Das Duo aus Little Simz und ihrem Produzenten Inflo (der mit Sault im November gleich 5(!) Alben auf einmal droppte), scheint momentan einfach unschlagbar. Es hätte sicher noch zu höheren Platzierungen gereicht, aber um die Texte zu verarbeiten, die sich im Groben mit Selbstfindung und den Widrigkeiten der Musikindustrie beschäftigen, braucht es einfach Zeit.
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