Es sind jetzt ein paar Tage seit der 94. Verleihung der Academy Awards vergangen und weiterhin beherrscht nur ein Thema die Medien. Der Fokus wurde damit komplett entrückt und die eigentlichen Gewinnerfilme waren plötzlich nur noch Nebensache. Dabei hatte die Verleihung so einige schöne Momente und Dankesreden, die einem viel lieber in Erinnerung bleiben sollten. CODA konnte neben Bester Film auch die anderen beiden Kategorien gewinnen, in denen er nominiert war. Die beiden Besten Nebendarsteller:innen Troy Kotsur und Ariana DeBose sowie Beste Hauptdarstellerin Jessica Chastain haben sehr schöne Reden hingelegt. Und mit Summer of Soul konnte Questlove den Preis für den Besten Dokumentarfilm gewinnen, etwas was ebenfalls total untergegangen ist.
Solide Show
Insgesamt habe ich eine schöne Show gesehen, die wieder am üblichen Schauplatz im Dolby Theatre mit riesigem roten Teppich im Vorfeld stattfand. 15,3 Millionen Personen haben in den USA zugesehen, was zwar immerhin 50% mehr sind als im letzten Jahr (2021: 10,4 Millionen), aber auch deutlich weniger als im Jahr davor (2020: 23,6 Millionen). Die Moderation von Wanda Sykes, Amy Shumer und Regina Hall konnte mit so einigen netten Spitzen überzeugen, auch wenn die Show deutlich vollgepackter war und die drei nicht so oft wie gedacht zu sehen waren.
Im Gegensatz zum letzten Jahr wurde viel experimentiert und Neuerungen mit eingebaut. Es wurden einige Jubiläen gefeiert (Der Pate, James Bond, Juno), wo dann auch Stars aus den Filmen einige Kategorien präsentieren durften. So standen für das 50. Jubiläum von Der Pate dann Al Pacino, Robert De Niro und Francis Ford Coppola gemeinsam auf der Bühne.
Die beiden neuen "Preise" Oscar Fan Favorite (Army of the Dead) und Best Cheer Moment (Zack Snyder’s Justice League), die einfach als Video gezeigt wurden und für die man im Internet abstimmen konnte, werden hoffentlich direkt wieder eingestampft. Ein netter Versuch, um auch 'Publikumslieblinge' noch mehr abzubilden, was insgesamt aber scheiterte.
Auch die vorherige Verleihung von 8(!) Oscars, deren Aufzeichnung dann gekürzt in die Show eingebaut wurde, fand ich unglücklich. So wurden die Kategorien komplett durchgerusht und die Reden gingen zwischen allem irgendwie unter. Zudem war die Spannung eh komplett weg, da man die Sieger:innen schon vorher kannte.
Keine Überraschungen
Bei der diesjährigen Oscarverleihung gab es, bis auf die Bester animierter Kurzfilm Kategorie, wo sich das visuell sehr spannende The Windshield Wiper (eine Ansammlung von Szenen rund um das Thema "What is Love?"; kostenlos auf Youtube) gegen den Favoriten Robin, Robin durchsetzen konnte, keinerlei Upsets. Auch wenn einige Kategorien noch nicht als sicher galten, wurde das im Vorfeld alles so prognostiziert, wie es letztendlich auch gekommen ist.
CODA gewinnt "Bester Film"
Was war das für ein Abend für den kleinen Film CODA, der nun endlich auch für die breite Masse sichtbarer wurde. Drei Oscars bei drei Nominierungen: Bester Film, Bestes adaptiertes Drehbuch für Regisseurin Siân Heder und Bester Nebendarsteller für Troy Kotsur. Ich weiß nicht, ob das vor einem halben Jahr jemand für möglich gehalten hätte. Der Film ist eine Remake des französischen Films La Famille Bélier (2014). In CODA (child of deaf adults) geht es um die Teenagerin Ruby Rossi, die als einzige ihrer Familie nicht gehörlos ist und einen Weg finden muss, zwischen der Selbstverwirklichung ihres Traums Sängerin zu werden und den Verpflichtungen gegenüber ihrer Familie, die ein Fischerei-Business betreibt.
Das Team um den Film hat für den Cast gehörlose Schauspieler:innen ausgewählt und aufgrund der Modalitäten, wie in Hollywood Filme finanziert werden (große Stars bringen oft Sicherheit), wurde der Film von keinem großen Studio bedacht. Im Januar 2021 feierte CODA ohne Distributor auf dem Sundance Film Festival seine Premiere, wo der Film den Grand Jury Prize gewinnen konnte. Daraufhin sicherte sich Apple die Filmrechte für die Festival-Rekordsumme von 25 Million US-Dollar. Apple ist damit auch der erste Streaminganbieter, der sich den Oscar für den Besten Film sichern konnte.
This is dedicated to the deaf community, the 'CODA' community, and the disabled community. This is our moment!
Troy Kotsur
Troy Kotsur ist nach Marleen Matlin (1987 für die Beste Hauptdarstellerin) erst die zweite, schauspielende gehörlose Person, die einen Oscar gewinnen konnte. Seine Rede war sehr herzlich und man konnte ihm ansehen, wie viel im das alles bedeutet.
Ariana DeBose & Jessica Chastain mit rührenden Dankesreden
Für ihre Rolle als Anita in der Neuverfilmung des Musicalklassikers West Side Story durfte Schauspielerin Ariana DeBose völlig verdient die Trophäe als Beste Nebendarstellerin mitnehmen. Sie ist damit die erste offen queere Woman of Colour, die einen Oscar gewinnen konnte. Ihre einfühlsame und kraftvolle Dankesrede danach gehört mit zu den besten des Abends.
https://twitter.com/ArianaDeBose/status/1508596783819247616
Auch Jessica Chastain, die für ihre Rolle als christliche TV-Predigerin Tammy Faye (im Film The Eyes of Tammy Faye) als Beste Hauptdarstellerin geehrt wurde, hat eine wahrlich schöne und wichtige Rede vorgetragen.
For any of you out there who do, in fact, feel hopeless or alone, I just want you to know that you are unconditionally loved for the uniqueness that is you.
Jessica Chastain
Bester Dokumentarfilm: "Summer of Soul"
Nach dem großen Eklat betrat Sean Combs aka. P. Diddy die Bühne und hat die Verleihung des Besten Dokumentarfilms anmoderiert. Dabei kam es (zumindest im international Feed) zu technischen Störungen und der Gewinn von Summer of Soul (…Or, When the Revolution Could Not Be Televised) und die Dankesrede sind, auch dank den vorherigen Ereignissen, komplett untergegangen.
Wusstet ihr, dass es ein Black Woodstock Festival gab, welches im Sommer 1969 in New Yorks Stadtteil Harlem stattgefunden hat? Ziel des Festivals war es afroamerikanische Musik und Kultur zu feiern. Über den Zeitraum von mehreren Wochen standen Sonntags immer wieder neue Musiker:innen auf der Bühne und lockten über 300.000 Besucher an. Mit dabei waren u.a. Nina Simone, Mahalia Jackson, B. B. King und Stevie Wonder.
Videoproduzent Hal Tulchin hat 40 Stunden Material über das Festival gedreht und versucht Fernsehsender und Filmstudios für eine Ausstrahlung zu begeistern. Ohne Erfolg und so landeten die Aufnahmen in einem Keller. Nach seinem Tod und der Ausgabe des Nachlasses, fielen die Aufnahme schließlich in die Hände von The Roots Drummer Ahmir „Questlove“ Thompson, der daraus diese Dokumentation bastelte, die ihr euch bei Disney+ anschauen könnt.
Ein paar interessante Fakten
Zum Abschluss habe ich noch spannende Trivia zusammengesucht.
- Jessica Chastain ist mit ihrem Gewinn als Beste Hauptdarstellerin nun die fünfte Schauspielerein aus dem Cast von The Help (2011), die seit Release des Films einen Oscar gewinnen konnte. (Q)
- Von 27 Nominierung für Netflix-Filme konnte der Streaminganbieter nur eine einzige Trophäe gewinnen: Beste Regie für Jane Campion (The Power of the Dog). Sie ist die erste Frau, die zweimal für diesen Preis nominiert wurde (das andere Mal 1994 für Das Piano) und nun die dritte Frau (nach Kathryn Bigelow und Chloé Zhao), die in dieser Kategorie einen Preis mit nach Hause nehmen konnte.
- DUNE konnte mit 6 Oscars (Beste Kamera, Bester Schnitt, Bester Ton, Bestes Szenenbild) die meisten Siege erringen. Darunter auch zwei Deutsche: Hans Zimmer (Beste Filmmusik) und Gerd Nefzer (Beste visuelle Effekte).
- Hollywood Legende Steven Spielberg wurde nun in sechs aufeinanderfolgenden Dekaden in der Kategorie Beste Regie nominiert.
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