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London Grammar © Alex Waespi

Erneut verliebt: London Grammar mit neuem Album "Californian Soil"

am 16.04.2021 über Island / Universal Music veröffentlicht

Wenn ich in meinen Entwürfe-Ordner schauen müsste, ist das hier vermutlich Versuch Nummer 21, endlich mal wieder einen Blogbeitrag auf das virtuelle Papier zu bringen. Es ging einfach nicht, aber dazu vielleicht mal mehr an anderer Stelle. Wenn eine Band aber etwas in mir weckt, dann ist es meine Lieblingsband: London Grammar. Hannah Reid, Dot Major und Dan Rothman haben nach If You Wait (2013) und Truth Is A Beautiful Thing (2017) endlich ihr neues Album Californian Soil veröffentlicht und wie könnte es anders sein: Ich habe mich erneut verliebt. <3

Es ist 0:30 Uhr in der Nacht von Donnerstag auf Freitag. Eigentlich wollte ich bis zum nächsten Tag warten, aber konnte ich meine Neugier dann doch nicht zurückhalten. Also sitze ich hier, das neue Album von London Grammar in meinen Ohren und notiere mir schon einmal ein paar Eindrücke, die dann später zu diesem Blogbeitrag führ(t)en. Da kommen dann auch gerne mal 50 Stichpunkte heraus, die dann irgendwie zu einem sinnvollen Text zusammengefasst werden wollen, den ihr hier dann hoffentlich irgendwann zu lesen bekommt.

Erstarkte Stimme

Die männerdominierte Musikwelt ist zum Teil noch immer durch misogyne Machtstrukturen durchtränkt. Frontfrau Hannah Reid stand mit ihrer einzigartigen Stimme schon immer irgendwie im Vordergrund der Band. Das war aber nicht immer schön, wie sie in diversen Interviews im Vorfeld zur Albumveröffentlichung erzählt hat. Sie musste als Frau einiges über sich ergehen lassen und wurde bei Entscheidungen, über die Musik, von Produzenten oft nicht ernst genommen.

Dem entgegen steht nun eine entflammte Stimme, ein neu gewonnenes Selbstbewusstsein. Mit Californian Soil hat sich Hannah ganz bewusst in den Fokus gerückt, um ihre Geschichten zu erzählen. Dies zeigt sich in den diversen persönlichen Instagram-Storys, die ich in der Anzahl von ihr und der Band gar nicht gewohnt war, über das Artwork (wo sie alleine, anstatt mit ihren beiden Bandkollegen drauf zu sehen ist), bis hin zu den diversen Interviews, wo sie über das Album spricht.

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Track by Track

Mit so einem "Intro" habe ich nicht gerechnet. Hannahs himmlische Stimme gepaart mit den einsetzenden Streichern ist mystisch anmutend und funktioniert als Opener wunderbar. Durch die Streicher im Intro fallen mir diese im titelgebenden "Californian Soil" erstmals deutlich auf, wenn sie zwischenzeitlich an die Oberfläche schwappen. "Missing" klingt erstaunlich anders, so leichtfüßig, grazil und gleichzeitig etwas düster. In "Lose Your Head" hatte ich mich direkt am Anfang verliebt. Das ist so typisch London Grammar und von den energiegeladeneren Songs für mich der beste. "Lord It’s A Feeling" (übrigens der erste Explicit Song des Trios) hat einen Gospel-Touch und spielt mit diesen Synthesizern, die eine gewisse melodramatische Stimmung erzeugen. Auch die Bridge kickt richtig gut.

"How Does It Feel" sticht aufgrund seiner Poppigkeit (produziert zusammen mit Steve Mac, der u. a. "Shape of You" von Ed Sheeran mitproduzierte) so sehr heraus, dass ich mit dem Song bisher am wenigsten von den Singles anfangen konnte. Dies hat sich auch bei den ersten Durchläufen wieder bestätigt. "Baby It’s You" (produziert mit George FitzGerald) ist ebenfalls ein kleines Experiment. Elektronisch angehauchter, tanzbarer. In "Call Your Friends" spielt sich die Gitarre von Dan ein weiteres Mal in den Vordergrund, die so typisch und wichtig für den Sound von London Grammar ist. 

London Grammar - Lose Your Head (Official Video)

Mit "All My Love" zeigen sie wieder einmal, wie gut diese Reduziertheit ihrer Songs funktioniert. Das knisternde Lagerfeuer gibt dem ganzen einen angenehmen Vibe und da braucht es nur ein Piano, Hannahs Stimme und eine Western-Showdown-Gitarre gegen Ende und schon sitzt man gedanklich mitten im Nirgendwo und sinniert über das Leben.

"Talking" liebe ich allein für das Piano-Intro. Der Song könnte glatt aus einem Film oder Videospiel stammen. "I Need The Night" wirkte im ersten Moment etwas ungelenk, bis es dann gegen Ende aufbrach und immer besser wurde. "America" ist ein perfektes Outro und vielleicht mein unterschwelliger Lieblingssong von dem Album. Einem Traum nachzujagen, der uns innerlich gar nichts mehr bedeutet, kennen wir bestimmt alle irgendwie und so kann man den Song gut auf sich selbst ummünzen.

London Grammar - America (Official Visualiser)

<3

Lyrisch hält sich die Band gewohnt kryptisch. Thematisiert werden der amerikanische Traum, die oben angesprochenen Machtstrukturen in der Musikwelt, emotionaler Missbrauch, Liebe. Musikalisch bleiben sie sich ihrem Sound in den wichtigsten Momenten treu. Californian Soil wirkt dabei auf mich aufgeräumter und nicht überladen. Sie probieren teils mehr Pop oder Beats in ihren Songs unterzubringen und dennoch sind es die ruhigen Songs, die mit viel Hall, Atmosphäre und Hannahs Stimme spielen, die mir immer wieder Schübe massivster Gänsehaut garantieren.

Und auch wenn mir nicht alle Ideen auf dem Album zusagen, habe ich einfach nur Liebe für diese Band. Die London Grammarsche Gitarre, die Streicher, die zwischendurch durscheinen, Hannahs übernatürliche Stimme, diese Produktion, die mich immer wieder schweben lässt. Indie-Pop mit gewisser Atmosphäre, die einen in die Seele kriecht. Auch wenn ich das Debütwerk If You Wait von London Grammar in meinem Herzen immer noch ein Stückchen höher ansiedeln würde, wird auch Californian Soil mit jedem Durchgang nur noch mehr wachsen. Einen Platz in meinem Herzen hat es sich bereits verdient.

London Grammar haben am Sonntag nach der Albumveröffentlichung das komplette Album live eingespielt (inklusive Streichern & Chor) und es ist unbeschreiblich, wie gut diese Band live einfach ist. <3

[LIVE] London Grammar: Californian Soil - The Live Show

Ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du den Artikel teilst oder kommentierst! <3

Veröffentlicht inMusikReviews

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