Zum ersten Mal bin ich alle vier Tage beim Reeperbahn Festival in Hamburg vor Ort und freue mich schon auf alles was kommt. Ich versuche jeden Tag einen kleinen Beitrag zum Tag zu schreiben und hoffe, dass das alles so klappt. Meine Geheimtipps habt ihr vor ein paar Tagen ja schon bekommen. Heute dreht es sich darum, was ich am Eröffnungs-Mittwoch alles erlebt habe. Von der spannenden Doors Open Show mit den wichtigen Themen ANCHOR und Keychange, bis hin zur Musik von Amilli, IDER und Feist. Ein toller erster Festivaltag. Das darf gerne so weitergehen!
Let The Festival Begin
Die Doors Open Show, quasi die Eröffnungszeremonie des Reeperbahn Festivals, führte mich ins Stage Operettenhaus, welches sehr gut gefüllt war. Vor der eigentlich Show gab es Redebeiträge, u. a. von Festvial-Direktor Alexander Schulz und Kultursenator Carsten Brosda. Beide haben die Anwesenden begrüßt und haben spezielle Punkte im Festivalprogramm hervorgehoben und kleine Stories erzählt. Das Reeperbahn Festival brauchte 6 Jahre von der Idee im Jahr 2000 bis es 2006 das erste Mal stattfand. Ein finanzielles Desaster, welches erst 4-5 Jahre später schwarze Zahlen schrieb! Heute ist es das wichtigste Showcase-Festival in ganz Deutschland, wenn nicht sogar Europas. Was die Berlinale für den Film ist, die Buchmesse in Frankfurt für die Literatur, ist das Reeperbahn Festival in Hamburg für die Musik. Der Kampf und die Ausdauer haben sich also gelohnt.
Im Publikum waren auch weitere bekannte Persönlichkeiten, wie Woodstock-Organisator Joel Rosenman und ein paar bekanntere Gesichter wie Thilo Mischke, Fynn Kliemann, Sängerin Mogli und Sonja Glass von Boy habe ich auch erspäht. Danach konnte die eigentlich Show beginnen. Durch den Abend führten Charlotte Roche und Ray Cokes, die das souverän bewerkstelligten. Die Show war eine Mischung aus Talk und Musik. Hauptaugenmerk lag auf dem Anchor Award und der Keychange Initiative. Zwischendurch gab es kleine Auftritte von Feist und Dope Lemon, die an dem Abend noch vollwertige Konzerte am selben Ort gespielt haben, sowie von Joy Denalane.
ANCHOR
Der ANCHOR – Reeperbahn Festival International Music Award "ist ein internationales Prädikat für aufstrebende Musik-Talente". Für Nachwuchstalente wird es immer schwieriger sich einer breiten Massen vorstellen zu können. Dafür wurde der ANCHOR geschaffen. Aus dem Festivalprogramm werden sechs Nominierte ausgewählt, die sich an zwei Tagen vor einer hochkarätigen Jury präsentieren. Diese besteht in diesem Jahr aus den Musikerinnen Peaches und Kate Nash, Beatsteaks Frontmann Arnim Teutoburg-Weiß, der australischen Radiomoderatorin Zan Rowe und den beiden Producer-Legenden Bob Rock (Metallica) und Tony Visconti (David Bowie). Die komplette Jury war auch bei der Doors Open Show anwesend und wurde nacheinander auf die Bühne geholt. Man suche vor allem nach dem stimmigsten Gesamtpaket und jemanden, der komplett überrascht.
Zu den Nominierten gehören in diesem Jahr: Hip-Hop/Rap von ALYONA ALYONA, R’n’B und Soul von CELESTE, alternativer Post-Punk von DRAHLA, Psycho-Pop von FENG SUAVE, catchy Skandinavien-Pop von MOYKA und female Pop-Punk von THE HORMONES. Ihr seht schon, eine ziemlich bunte Mischung und ich bin gespannt, auf wen sich die Jury am Ende einigen kann. Mein Favoriten wären ganz klar Moyka und Celeste.
Keychange
Der noch wichtigere Hauptpunkt ist die Keychange Initiative, welche an dem Abend in fast allen Reden herausgearbeitet wurde. Im Kern geht es um ausgewogene Geschlechterverhältnisse in der Musikindustrie. Dazu wurde ein kleiner Videobeitrag gezeigt, der die Geschichte einer älteren Dame erzählte. Wusstet ihr, dass Frauen in Deutschland erst seit 1962 ein eigenes Bankkonto eröffnen dürfen? Oder, dass verheiratete Frauen erst mit 1969 die volle Geschäftsfähigkeit erlangten? Das ist gerade einmal 50 Jahre her und hat mich echt schockiert. Passend dazu hat Joy Denalane ein wunderschönes Cover zu "A Change Is Gonna Come" zum Besten gegeben.
Es ging vor allem darum, dass man selbstverständliche Privilegien hinterfragen soll. Es fiel das Beispiel öffentlicher Nahverkehr. Jemand der keine Behinderung hat, nimmt Treppenstufen einfach wie selbstverständlich wahr, was Menschen mit einer Körperbehinderung schon vor eine große Herausforderung stellen kann. Ein weiterer wichtiger Punkt war allgemein sexuelle Belästigung, die leider immer noch viel zu oft stattfindet. Peaches hob noch einmal hervor, dass es nicht nur um Frauen und Männer geht, sondern um so viel mehr.
Über 180 Festivals haben die Keychange-Pledge schon unterschrieben. Das bedeutet: Bis 2022 sollen 50 Prozent des Line-ups aus Menschen weiblichen Geschlechts, trans- oder non-binären Geschlechts besetzt werden. Seit ein paar Monaten wird die Aktion auch auf weitere Bereiche im Musikbusiness, wie Clubs, Agenturen, Labels oder Orchester ausgeweitet. Mehr Informationen dazu findet ihr hier. Ich mit meinem Blog würde die Keychange Pledge direkt unterschreiben, wobei der Anteil an Künstlerinnen bei mir schon noch größer sein dürfte. Ihr wisst ja, dass mir Musik mit weiblichem Gesang besonders am Herzen liegt. Wo ich diese Zeilen hier schreibe, fällt mir mein "Frauen in der Festivallandschaft"-Beitrag wieder ein. Mache ich bald fertig, versprochen.
Nun aber zur Musik
Nachdem die Show etwas länger in Anspruch nahm als gedacht, habe ich meine weiteren Planungen fallen lassen und bin direkt in den Mojo Club zu Amilli. Mit dem Pop-NRW-Preis in der Kategorie „Beste Newcomerin“ in der Tasche lockte die Bochumerin eine beachtliche Menge Besucher an. In der Atmosphäre des Mojo Clubs wirkte ihre Mischung aus (Neo-)R’n’B und Soul aber geradezu perfekt und man könnte meinen, man wäre gerade in einem Club in den Vereinigten Staaten gelandet. Ein sehr lässiger und souveräner Auftritt. Neben den beatlastigen Stücken präsentierte sie auch ihre Ballade "Movie" ganz alleine am Piano, welche sie komplett alleine produziert hat. Von ihr werden wir in Zukunft sicher noch viel hören.
Raus in die kühle Abendluft, rein in den nächsten Club. Diesmal ins überfüllte Häkken. Ein Schlauch von Club, mit dem Eingang im ersten Drittel. Bei vollem Haus eine eher schwierige Location und trotzdem haben mich IDER mehr als überzeugt. Ich habe sie erst jetzt zum Festival bewusst zum ersten Mal gehört und bin direkt Fan geworden. Ein sehr spielfreudiges Duo von zwei Damen aus London. Musikalisch ist das eine Mischung aus Indie-Pop mit Elementen aus R’n’B und Electronia und einem harmonischen, zweistimmigen Gesang. Wundervoll! Die Zwei kommen am 1. November noch einmal nach Hamburg, dann ins Molotow. Das sollte ich mir wohl nicht entgehen lassen.
"Einlassstopp!"
Aber lange Schlange gab es auch anderswo zu bestaunen. Über die offizielle App wird man immer informiert und so meldete der hoch angepriesene Country-Abend im Thomas Read schon zu Beginn einen Einlassstop, Malik Harris füllte die Prinzenbar komplett aus und auch zu den Konzerten von Dope Lemon und Feist war frühzeitig Schluss mit dem Einlass.
Mein Abschluss des Tages führte mich wieder zurück ins Stage Operettenhaus. Auf dem Programm stand keine geringe als Leslie Feist. Was für eine Musikerin! Von Sekunde Eins an hatte sie das Publikum mit ihrem Gitarrenspiel und einnehmendem Gesang komplett in der Hand. Mit 7-köpfiger Band im Rücken, die perfekt aufeinander abgestimmt war, macht das schon einiges her. Hat mich sehr verzaubert und auch das randvolle Operettenhaus war begeistert.
Ansonsten habe ich noch nicht allzu viel erlebt, aber es kommen ja noch drei weitere, spannende Tage. Folgt mir gerne in den sozialen Medien und schaut die nächsten Tage hier auf meinem Blog für weitere Beiträge vorbei!
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