am 30.08.2019 über Jagjaguwar veröffentlicht
Der Sommer nimmt noch einmal einen letzten langen Atemzug, da haben Bon Iver mit ihrem neuen Album i,i bereits den Herbst eingeläutet. Schon 22 Tage (Justin Vernons Lieblingszahl) vor dem eigentlichten Release wurde das Album digital veröffentlicht. Mastermind Justin Vernon bezeichnet das Album selbst als den Herbst, um seine Reihe abzuschließen. Bon Iver startete einst als Soloprojekt und war schon immer ein Rückzugsort für Justin Vernon. Alles begann mit For Emma, Forever Ago, welches er im Winter alleine in einer zugeschneiten Waldhütte geschrieben hat, um sich selbst neuzuordnen. Es handelt von verlorener Liebe und Mediokrität. Mit dem jetzigen Album ist die Anzahl der beteiligten Personen so groß wie nie. Er hat sich geöffnet, eine Heilung vollzogen, zu sich selbst gefunden und zeigt mit i,i die musikalischen Möglichkeiten im alternativen Mainstream auf.
<3
Je mehr ich über Bon Iver lese und in mich aufsauge, desto mehr schließe ich diese Band in mein Herz. Und es musste dann auch so kommen, dass mich das neueste Werk i,i komplett in seinen Bann gezogen hat. Ein Album, was in seiner Gesamtheit vielleicht nicht beim ersten Mal zündet, doch je mehr man sich diesem öffnet, umso größerer Schönheiten findet man. Dabei ist es deutlich zugänglicher als das sehr fragmentierte 22, A Millionen. Es finden sich sogar ein paar Hits, wenn man davon sprechen möchte. "Hey, Ma" ist nach über 40 Durchgängen in den letzten 2 Wochen vermutlich jetzt schon mein Lieblingssong des Jahres. Daneben gibt es mit "Faith", "Naeem", "Salem" noch mindestens drei weitere 10/10 Songs.
Die Songnamen sind diesmal deutlich leserlicher als beim letzten Album, aber nicht weniger kryptisch. Laut Vernon verstecken sich hinter den Titeln Namen bzw. Anspielungen darauf. “Sh’Diah” ist bspw. ein Akronym für “Shittiest Day In American History” und ist ein klarer Fingerzeig auf die Wahl des jetzigen US-Präsidenten. "Jelmore" versteckt sich in der ersten Songzeile "Well, anGEL MOURn savanna", in dem er metaphorisch über den Klimawandel spricht. Wo auf vergangenen Alben eher persönliche und introspektive Themen behandelt wurden, fließen jetzt auch weltliche Themen mit ein.
Aber es kommt manchmal auch nicht darauf an, den eher undurchsichtigen Lyrics zu lauschen. Diese verbessern das ohnehin schon fantastische Hörerlebnis nur noch einmal. Auch musikalisch muss sich diese Band nicht mehr beweisen. Was da wieder für ein Großaufgebot an Instrumenten und Spielereien aufgefahren wird, ist einfach nur großartig. Bon Iver erzeugen einfach eine magische Atmosphäre, welche einen umarmt und in welcher man sich geborgen fühlt. Justin Vernon selbst gibt nie viel über den Inhalt seiner Musik preis und auch ich möchte das Album einfach so stehen lassen. Die Musik und Texte von Bon Iver können für jeden etwas anderes bedeuten und jeder sollte sich selbst ein Bild davon machen. Der (musikalische) Herbst kann kommen, der passende Soundtrack ist mit i,i (und eigentlich der gesamten Diskographie von Bon Iver) bereits gefunden.
Interview mit Zane Lowe
Wer mehr über Bon Iver, Justin Vernon und i,i erfahren möchte, sollte sich das Interview mit Zane Lowe anschauen, der mit klugen Fragen einiges aus Justin herausbekommen hat. Ein super spannender Einblick in die Gefühlswelten von Justin Vernon, der sehr offen über seine Depressionen, Ängste und Sorgen und auch von Problemen in den jeweiligen Albenphasen erzählt.
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