Das Filmdrama Niemals Selten Manchmal Immer (im Original: "Never Rarely Sometimes Always") von Regisseurin Eliza Hittman begleitet die 17-Jährige Autumn (gespielt von Sidney Flanigan) bei ihrem Versuch einer selbstbestimmten Abtreibung in den USA. Unterstützt wird sie dabei von ihrer Cousine Skylar (gespielt von Talia Ryder). Dabei wird eindringlich und ehrlich die Verwundbarkeit junger Mädchen gezeigt, die einige frauenfeindliche Situationen auf ihrer Reise erleben müssen. Premiere feierte der Film beim Sundance Film Festival 2020 und konnte bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin den Silbernen Bären gewinnen. Ein bewegender Film, der mich bis zur letzten Sekunde emotional sehr gefesselt hat.
Ungewollte Schwangerschaft und Abtreibung sind sehr sensible und vielschichtige Themen. In vielen Ländern der Welt ist es Frauen bis heute verboten einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen. Schauplatz des Films ist in den Vereinigten Staaten, wo seit Jahrzehnten ebenfalls ein erbitterter Kampf über das Thema tobt.
Zunächst sucht sich Autumn alleine Hilfe in einem Krisenschwangerschaftszentrum, welches ihr falsche Angaben zur Schwangerschaft macht, was sie erst später herausfindet. Auch ist für eine Abtreibung in ihrem Heimatbundesstaat Pennsylvania die Zustimmung der Eltern erforderlich. Auf eigene Faust reist sie dann mit ihrer Cousine Skylar nach New York, wo man auch ohne die Einwilligung der Eltern Hilfe bekommen kann.
Intimes Porträt
In dem Film steckt aber noch so viel mehr. Eliza Hittman beleuchtet die schwierigen Themen sehr gut und nuanciert. Sie zeigt auf, wie schwer Mädchen und Frauen es haben ihre freie Entscheidung durchzusetzen. Immer mit einem Auge fürs Detail und Schwerpunkt auf dem Wesentlichen. Teilweise hatte ich das Gefühl ich sehe eine Dokumentation, so real und intim fühlte sich das Geschehen an. Am meisten beeindruckt hat mich die sehr ruhige Erzählweise. Viele Details, die nebensächlich relevant sind, werden nur sehr subtil angedeutet. Dabei kommt er streckenweise komplett ohne Dialoge aus und verlässt sich auf Blicke, Gesichtsausdrücke, andere Feinheiten und einfach Stille, die mit einer sehr intensiv-begleitenden Kamera von Französin Hélène Louvart gefüllt wird. Dadurch bekommt das Ganze eine fast unheimliche Stille, die einen gebannt mitfühlen lässt.
Sowohl für Sidney Flanigan, als auch Talia Ryder ist es ihr Filmdebüt, die beide exzellente Leistungen abliefern und großen Anteil daran haben, warum mich der Film so gefesselt hat. Durch die sehr nahe Kameraarbeit bekommt der Zuschauende jede kleinste Emotionsveränderung mit und die beiden haben für mich einfach komplett abgeliefert. Die Schauspielerinnen bekommen wir demnächst hoffentlich öfter zu sehen. Talia Ryder werdet ihr Ende 2021 in Steven Spielbergs Neuverfilmung des Musicalklassiker West Side Story wiedersehen.
Wieder einmal ist es auch eine titelgebenden Szene, die dermaßen herzzerreißend ist. Dort soll Autumn die Fragen einer Ärztin mit "Niemals, Selten, Manchmal, Immer" beantworten. Gedreht als One-Shot wirkt das so echt, so greifbar und man fühlt einfach mit. Respekt nochmal an Sidney Flanigan, die Szene war einfach unglaublich.
Sprachlosigkeit
Es ist einer dieser feinen Filme, die mich sprachlos zurücklassen. Das Gesehene musste ich während und nach den Credits (zum Song "Staring At A Mountain" von Sharon Van Etten, die auch Autumns Mutter spielt) erst einmal verdauen. Ein schwieriges, aber wichtiges Thema, auf das weiter aufmerksam gemacht werden muss und welches in Niemals Selten Manchmal Immer einfühlsam eingefangen wurde.
Der Film müsste auch morgen (01.10.2020) endlich in die deutschen Kinos kommen. "Leider" ist es ein Indie-Streifen, weswegen ihr schauen müsst, ob ihr ihn in eurer Nähe zu sehen bekommt. Mainstream-Kinogänger werden mit dem Film eh weniger Spaß haben. Für all diejenigen, die sich emotional mal auf etwas neues einlassen wollen und sich für gute filmische Arbeit begeistern können, kann ich Niemals Selten Manchmal Immer nur wärmstens empfehlen.
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