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Ein Konzerterlebnis für die Ewigkeit: Coldplay live in Berlin (10.07.2022)

Coldplay und London Grammar live im Berliner Olympiastadion. Eine Lieblingsband seit Jugendtagen und eine meiner momentanen Lieblingsbands an einem Abend live sehen? Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Coldplay befinden sich momentan auf ihrer Music of the Spheres Tour und spielten gleich drei ausverkaufte Konzerte am besagten Ort. Und wenn ich euch eines vorab schon sagen kann: Diese farbenfrohen, lebensbejahenden Vibes waren Balsam für die Seele. Ihr müsst diese unendlich sympathische Band irgendwann selber einmal live erlebt haben. Viel besser geht eine Stadionshow kaum. Für mich ein Konzerterlebnis für die Ewigkeit.

Mit ausreichend Taschentüchern in den Taschen und ein mir wichtiger Mensch an meiner Seite konnte es losgehen. Zum Olympiastadion in Berlin ging es bequem mit der S-Bahn, quasi bis vor die Haustür. Der Einlass dauerte zwar seine Zeit und an den Merchandise-Ständen herrschte dichtes Gedrängel, aber es war dann doch alles entspannt. Die Fans sind bei der langen Bandgeschichte von jung bis alt gut durchmischt.

Nachhaltige Tour?

Schon vor ein paar Jahren machten Coldplay Schlagzeilen erst wieder auf Tour gehen zu wollen, wenn dies nachhaltiger möglich wäre. Zusammen mit Expert:innen haben sie versucht, an verschiedenen Stellschrauben zu drehen, um die Tour möglichst ressourcenschonend zu gestalten und Dinge aktiv zu bewegen. Hierbei wurde auf verschiedenste Aspekte des Tourlebens geschaut und versucht einiges möglich zu machen. Allein, dass die Band sich darüber Gedanken macht, finde ich einen sehr guten Schritt.

Wir werden nicht alles richtig machen, aber wir sind entschlossen, alles zu tun, was wir können, und das, was wir lernen, weiterzugeben. Wir arbeiten noch daran und sind sehr dankbar für die Hilfe, die wir bisher erhalten haben.

Coldplay bei der Tour-Ankündigung

Auf ihrer Webseite wurde eine Unterseite eingerichtet, die sich ausführlich mit einzelnen Aspekten des nachhaltigen Gedankens befasst. So wollen sie 50% CO2 gegenüber der letzten Tour einsparen und das ausgestoßene durch Zahlungen an Projekte kompensieren. Sowieso werden 10 Prozent aller Einnahmen der Band gespendet und ein Baum wird für jedes verkaufte Ticket ebenfalls gepflanzt. Es gibt große Batterien, die über Solarpanele oder Tanzböden und stromerzeugende Fahrräder von den Fans während der Show aufgeladen werden können. Die Energie soll bei der kommenden Show dann wohl für die zwei Akustiksongs auf der C-Stage reichen (Q). Die LED-Armbänder sind zu 100% recycelbar und werden bei weiteren Konzerten und die Elektronik bei späteren Touren wiederverwendet. Das Konfetti ist biologisch abbaubar und es wird eine neue Generation Feuerwerkskörper genutzt, die den Ausstoß von Chemikalien verringern soll.

Chris Martin Talks Introducing Sustainability Into Coldplay World Tour

Das Merchandise stammt aus nachhaltiger und ethischer Produktion. Die Qualität (Made in Bangladesch) war richtig gut (100% Baumwolle bei einem T-Shirt), aber mit 90€ für einen Hoodie und 45€ für ein T-Shirt nicht ganz günstig. Im Umfeld des Stadions gab es Runner und Stände, die auf verschiedene Projekte aufmerksam gemacht haben, die wir mit unserem Ticketkauf unterstützt haben. Bevor die Show losging, kamen zwei Personen auf die Bühne, um Coldplay anzukündigen und es gab es einen kurzen Videoclip auf den Leinwänden zu sehen, der ebenfalls nochmal auf die Projekte hinwies. Dazu gehören unter anderem ClientEarth (eine Umweltrechtorganisation), The Ocean Cleanup (welche die Weltmeere von Plastik befreien möchte) oder Global Citizen (die sich für eine gerechtere Welt einsetzen).

Nicht frei von Kritik

So löblich, wie all diese Umsetzungen und Ansätze sind, gibt es auch Kritik. Im Mittelpunkt steht dabei der finnische Mineralölkonzern Neste (nicht verwechseln mit Nestlé), den Coldplay engagiert haben, um mithilfe von biologischen Kraftstoffen deutlich CO2 einzusparen. Neste steht allerdings immer wieder in der Kritik für Palmöl ganze Landstrich gerodet zu haben, um diese für ihre Biokraftstoffe zu verwenden. Für die Partnerschaft mit Coldplay sollen allerdings nur Abfallprodukte wie Speiseöl und Nebenprodukte aus der Zellstoffherstellung zur Herstellung der Kraftstoffe genutzt worden sein. (Q)

BMW ist ebenfalls Partner der Tour und stellt Elektroauto-Batterien zur Stromspeicherung zur Verfügung. Der Konzern hätte ein generelles Verbrennerverbot in der EU ab 2035 aber möglichst verhindert und kritisiert die Entscheidung entsprechend. Auch hier wurden Greenwashing-Vorwürfe laut. (Q)

Das Thema Inklusion bei Konzert

Ein weiterer spannender Punkt ist die Inklusion. Zu "Something Just Like This" kamen beim Konzert die Vocals vom Band und Sänger Chris Martin hat den Song in Gebärdensprache performt. Es gab im Vorfeld Tastführungen, während der Show Gebärdensprachen-Dolmetscher und SUBPAC-Westen, die tiefe Bassfrequenzen auf den Körper übertragen. Menschen, die diese in Anspruch nehmen wollten, konnten sich im Vorfeld bei einer E-Mail-Adresse melden. Finde ich einen guten Schritt, dass auch der Aspekt weiter voran gebracht wird und neue Technologien unterstützt werden.

Support: Alli Neumann

Eingestellt waren wir eigentlich auf Zoe Wees als Support-Act. Gegen 18:40 trat allerdings eine Frau mit leuchtenden orangenen Haaren auf die Bühne, die ich sofort als Alli Neumann erkannte. Sie war als Eröffnungsact in Frankfurt dabei und durfte in Berlin Zoe Wees vertreten, die krankheitsbedingt absagen musste. Allein für ihre absolute Spiel- und Auftrittsfreude lohnte sich der Auftritt. Alli selbst war sehr abgedreht und hatte sichtlich Spaß für das gut gefüllte Stadion ihre Songs zu präsentieren. Ein positiver Einstand in den Abend.

Alli Neumann - Frei (Official Video)

Special Guest: London Grammar

Was habe ich diese Band vermisst. Hannah Reid, Dot Major und Dan Rothman sind London Grammar, eine Band, die ich vor Jahren tief in mein Herz geschlossen habe. Die ausgefuchsten Electronic-Trip-Hop-Spielerein und eine Stimme, die nicht von dieser Welt zu sein scheint. Wie erwartet wurden die drei meistgehörten Songs von ihrem ersten Meisterwerk If You Wait gespielt. "Hey Now", "Strong" und einen meiner All-Time-Favorites: "Wasting My Young Years". Letzterer verbreitet bei mir immer eine wohltuende Melancholie mit der Hoffnung auf Besserung. Hier blieben meine Augen nicht trocken und die Gänsehaut kroch sowieso in alle Ecken des Körpers.

[LIVE] London Grammar: Californian Soil - The Live Show

Besonders gefreut habe ich mich über "Hell to the Liars", der die Stärken der Band von Hannahs unglaublichen Stimme und dem tollen Aufbau bestens präsentiert. Wie oft ich mir diese Liveversion schon angehört habe. Das Set wurde komplettiert mit Songs vom aktuellen Album Californian Soil, die zum Teil mehr auf beatlastigere Produktionen ("Baby It’s You" als bestes Beispiel) setzen, aber nie die London Grammar typische Essenz verlieren. Die drei hatten sichtlich Spaß und auch Hannahs Livepräsenz ist massiv gewachsen. Beim nächsten Konzert dann gerne wieder in einer dunklen Halle, da London Grammar live von den Visuals und Lichteffekten profitieren, die in der Abendsonne natürlich verpufften. Es war aber dennoch traumhaft schön und bereitete gut auf das Kommende vor.

An Adventure of a Lifetime

Die offene Bühne war mit zwei großen runden, einem Halbkreis und ein paar kleineren LED Wänden versehen, um den "Music of the Spheres"-Charakter zu unterstreichen. Ein langer Steg führte zur B-Bühne. Etwas weiter gab es noch einen kleinen Aufbau für die C-Bühne, auf der allerdings nur ein Song gespielt wurde.

Die ausgeteilten LED-Armbänder, um die Fans mit in die Show zu integrieren, sind Gold wert. Selbst wenn die eigenen Plätze meterweit weg sind, fühlt man sich, durch das zentral gesteuerte und intelligente Blinken an seinem Arm, als Teil der Show. Wir hatten diesmal Plätze im Oberrang und allein der Blick ins Rund des Stadions hat bei der Lichtshow manchmal Gänsehaut ausgelöst und der Mund stand offen. Je dunkler es wurde, desto spektakulärer wurde es. Hier ist sicher noch Potenzial, obwohl es jetzt schon grandios gut funktioniert.

Coldplay - Higher Power (Live at The BRIT Awards, London 2021)

Die Band ließ sich Zeit, sicher um es noch etwas dunkler werden zu lassen, aber gegen 20:50 sollte es dann endlich losgehen. Scheinbar haben sie sich was bei Casper abgeschaut, denn auch Coldplay ließen das "Flying Theme" von John Williams aus dem Film E.T. aus den Lautsprechern tönen. Ich fand schon den Gang der Band auf die Bühne, der am Steg vorbei auf die B-Bühne zurück auf die A-Bühne führte, einfach cool. Irgendwie publikumsnah und bodenständig. Mit viel Konfetti, Feuerwerk (größtenteils außerhalb des Stadions abgefeuert), ihrem Hit "Higher Power" und einem Chris Martin, der die große Bühne als Laufstrecke nutzte, konnte die Party losgehen. Ein explosiver Beginn, der mir ein erstes breites Lächeln ins Gesicht zauberte und einen großartigen Abend versprach.

Viva la Lieder (oder auch: Hit an Hit an Hit)

Es ist beeindruckend, wie jetzt nach 26 Jahren Bandgeschichte einfach jeder Punkt auf der Setlist ein Hit ist und somit zum Highlight werden kann. Auf das erste Glanzstück folgte "Adventure of a Lifetime" (finde das Musikvideo nach wie vor affenstark) und ein Song, den ich erst viel später erwartet hätte: "Paradise" (<3). Wieder einmal feuchte Augen. Mit "Charlie Brown" direkt der nächste von Mylo Xyloto, meinem vermutlich liebsten Coldplay-Album.

Bei mittlerweile neun Studioalben kann die Band natürlich nicht alle Hits spielen. Bis auf Everday Life (schade eigentlich) wurde aber jedes Album bedacht. Fans der ersten beiden Alben kamen mit "Politik", "Sparks" (als einziger auf der C-Bühne), "In My Place" oder "Clocks" auf ihre Kosten. "Yellow", der meistgespielte Livesong der Band, durfte natürlich nicht fehlen und kündigte sich mit gelben Lichtern schon an. Die Zeile "look at the stars, look how they shine for you" passte wohl nie besser und klingelte bei mir nach dem Konzert noch stundenlang durch die Ohren. Ich habe tags zuvor ein Familienmitglied verloren, so war es nochmal um ein vielfaches emotionaler.

Was denkt ein Chris Martin wohl in dem Moment, wenn er alleine auf der Bühne, vor über 70.000 Menschen im Stadion, an seinem Klavier sitzt, gen Himmel schaut und "The Scientist" anspielt? Falls ich ihn jemals treffen sollte, werde ich ihm genau diese Frage stellen. Durch die leisen Klänge des Songs war zum ersten Mal das Publikum komplett zu hören und huch war das krass. Da bin ich komplett in Emotionen zerflossen. Wie gut, dass wir mit Taschentüchern vorgesorgt haben. Kleiner persönlicher Fakt: Ja, der Song ist fürs Piano geschrieben, aber er war trotzdem einer der ersten, den ich mir für die Gitarre beigebracht habe. Danke, Coldplay.

A Stadium Full of Stars

Statt Selena Gomez, die auf "Let Somebody Go" der eigentliche Feature-Gast ist, stand dann Hannah Reid von London Grammar noch einmal auf der Bühne und hat mit Chris im Duett gesungen. Die beiden zusammen fühlten sich an wie ein wahrgewordener Traum. Gänsehaut! Den ruhigsten Song des neuen Albums "Human Heart" mit dem rockigsten Song "People of the Pride" zu paaren und nacheinander im Set zu spielen funktioniert ebenso gut.

"A Sky Full of Stars" verwandelte das Stadion wieder in ein pulsierendes Lichtermeer, musste aber einmal neu gestartet werden. Die Band bekam den Hinweis, dass es einen medizinischen Zwischenfall gab. Nach dem ok der Rettungskräfte konnte es aber weitergehen. Chris Martin hat dann noch gebeten die Smartphones wegzupacken, um den Moment gemeinsam zu genießen. Genau dafür war dieser Abend gedacht.

Coldplay - Sky full of stars (live in Berlin, July 13, 2022)

Mit den beiden Mitspringpassagen brachte der Song sogar wortwörtlich den Boden zum Beben und ließ Wohngebäude im Umkreis erzittern. Chris Martin bedankte sich zwischendurch beim Publikum, das trotz all der momentanen Umstände so zahlreich erschienen ist, was er nicht als selbstverständlich ansah. Und ja, er ist Profi, aber dem glaube ich jedes Wort.

Tears stream down my face

Ein weiteres Highlight folgte relativ gegen Ende der Show. Auf der Setlist war eigentlich "Magic" vorgesehen, welches auf Deutsch gesungen werden sollte. An dem Tag war aber zufällig der Color Music Choir aus der Ukraine in Berlin. Die geflüchteten Kinder und Jugendlichen wurden auf verschiedene Städte in Deutschland aufgeteilt und haben sich an dem Wochenende in Berlin zum ersten Mal wiedergesehen. Sie sind große Fans der Band und intonieren regelmäßig ihre Songs. Mit dem Chor auf der Bühne wurde "Something Just Like This" ein weiteres Mal gespielt, diesmal akustisch vorgetragen und wer da nicht feuchte Augen bekommen hat, hat wohl kein Herz. Was muss das für ein schöner Moment gewesen sein, zwischen all dem Leid, welches sie seit Monaten (mindestens psychisch) ertragen müssen.

"Fix You". Durch diesen Song werde ich niemals ohne eine Träne kommen. Spätestens wenn das Gitarrensoli und danach das Schlagzeug einsetzt. Da sind bei mir in dem Moment emotional alle Dämme gebrochen und es fühlte sich einfach nur gut an. Wie fantastisch kann ein Song bitte sein? "Biutyful", die aktuelle Single mit einer tollen Message, war das eher unspektakuläre aber auch schöne Ende eines wundervollen Konzertabends. Chris Martin, Jonny Buckland, Will Champion und Guy Berryman nahmen den gleichen Weg, den sie gekommen sind und etwas über zwei Stunden Music of the Spheres waren vorbei.

Coldplay - Fix You (Live In São Paulo)

Durchatmen. Was für eine magische Nacht. Ich hatte Coldplay zwar einmal live gesehen, allerdings war da alles etwas kleiner und abgespeckter. Über die Jahre, fast schon Jahrzehnte, habe ich mit ihrer Musik gute und schlechte Lebensphasen bestritten und viele Erinnerungen und Emotionen mit ihnen verknüpft. Diese kamen nun alle wieder hoch. Dazu all diese lebensbejahenden Vibes, eine grandiose Show und eine Band in Topform. Dieses Konzert wird einen besonderen Platz in meinem Herzen einnehmen und ist auch deshalb für mich ein Konzerterlebnis für die Ewigkeit.

Setlist: Coldplay live im Olympiastadion, Berlin (10.07.2022)

  1. Higher Power
  2. Adventure of a Lifetime
  3. Paradise
  4. Charlie Brown
  5. The Scientist
  6. Viva la Vida
  7. Hymn for the Weekend
  8. Let Somebody Go (mit Hannah Reid von London Grammar)
  9. Politik
  10. In My Place
  11. Yellow
    Sunrise [Tape]
  12. Human Heart
  13. People of the Pride
  14. Clocks
  15. Infinity Sign
  16. Something Just Like This [Pre-Recorded]
  17. Midnight [Remix]
  18. My Universe
  19. A Sky Full of Stars
  20. Sparks
  21. Something Just Like This (mit COLOR MUSIC Children’s Choir)
  22. Humankind
  23. Fix You
  24. Biutyful
    A Wave [Tape]

Nach den Konzerten auf dem europäischen Festland geht es weiter ins Vereinigte Königreich (6 ausverkaufte Wembley-Shows) und nach Südamerika (10 Shows im River Plate Stadion). 2023 werden sie noch zwei Stadionshows in Los Angeles nachholen. Weitere Daten werden folgen (Ozeanien und Asien fehlen noch).

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Veröffentlicht inKonzerteMusik

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